Ein Gespräch zwischen Annette Wiedemann und Rechtsanwältin Nina Naske über Systemfehler, Behördenversagen und Wege aus der Sackgasse
In einer neuen Episode unseres Podcasts diskutiert unsere Geschäftsführerin Annette Wiedemann mit der Luftfahrtrechtsexpertin Nina Naske über die Schattenseiten des derzeitigen Regulierungssystems in der Luftsicherheit. Ein aufrüttelndes Gespräch, das den Finger in die Wunde legt – faktenreich, meinungsstark und mit vielen Denkanstößen für Sicherheitsverantwortliche, Behörden und Ausbilderinnen / Ausbilder.
Behördenvielfalt – Chance oder Hindernis?
„Die maßgeblichen Behörden in der Luftsicherheit? Ungefähr 35“, so Annette Wiedemann. Neben den Landesluftsicherheitsbehörden und der Bundespolizei spielt auch das Luftfahrt-Bundesamt eine zentrale Rolle. In Deutschland sorgt das föderale System für eine enorme Komplexität, die viele Beteiligte zunehmend als Belastung empfinden.
Nina Naske verteidigt das föderale Prinzip grundsätzlich: „In der Unterschiedlichkeit liegt auch Freiheit. Unterschiedliche Handhabung zeigt, dass man Dinge auch unternehmensfreundlich gestalten kann.“ Doch genau diese Vielfalt führt im Alltag oft zu Unsicherheit und Intransparenz – besonders, wenn die Behörden nicht einmal untereinander kommunizieren. „Da ist keine Einigkeit, und sie stimmen sich oft gar nicht ab“, beobachtet Wiedemann.

Annette Wiedemann (r.) im Gespräch mit RA Nina Naske (l.)
Regulierung bis zur Bewegungsunfähigkeit
Die zentrale Kritik beider Expertinnen: Es gibt zu viele Vorgaben – und diese werden in Deutschland oftmals strenger umgesetzt als nötig. „Wir haben einen Grad der Regulierung erreicht, der eigentlich schon längst nicht mehr erträglich ist“, warnt Naske. Sie vergleicht das System mit Gulliver, der durch tausend Fäden unbeweglich gemacht wurde. Jeder Faden für sich harmlos, doch in Summe lähmend.
„Ausbilder haben keinerlei Flexibilität mehr“, sagt Wiedemann mit Blick auf die Schulungspraxis. Für eine 5,5-stündige Schulung gebe es fünf DIN-A4-Seiten Pflichtinhalt – in der Praxis kaum umsetzbar. „Da können sie nur noch Überschriften vorlesen.“
Auch Naske sieht hier ein strukturelles Problem: „Anstatt den Ausbildern und Unternehmen zu vertrauen, wird jeder Schritt vorgegeben. Dabei würde es reichen, sich auf das Kapitel 11 der EU-Verordnung 2015/1998 zu konzentrieren.“ Dort ist bereits genau beschrieben, welche Inhalte notwendig sind – zusätzliche nationale Vorgaben seien oft schlicht überflüssig.
Angst vor der Behörde – statt Qualität durch Vertrauen
Ein weiteres zentrales Thema: die fehlende Fehlerkultur und die Angst vieler Unternehmen vor Behördenwillkür. „Wenn ich unseren Kunden sage, das Luftfahrt-Bundesamt mag grüne Zipfelmützen, dann tragen viele tatsächlich eine“, scherzt Wiedemann – mit bitterem Unterton. „Die Leute machen mit, obwohl sie wissen, dass es Unsinn ist.“
Naske ergänzt: „Wir brauchen weniger Genehmigungsvorbehalte, weniger bürokratische Prüfmechanismen. Es ist absurd, wie viel Aufwand betrieben wird, nur um dann zu sagen: ‚Sie dürfen weiterarbeiten.‘“
Besonders kritisch sehen beide die Praxis wiederkehrender Prüfungen und Schulungen: „Statt Vertrauen in einmal qualifiziertes Personal zu setzen, hängt ein permanentes Damoklesschwert über den Menschen – das macht Berufe in der Luftsicherheit unattraktiv“, so Naske.
Wenn Standardisierung zur Schwachstelle wird
„Diese Gleichförmigkeit ist selbst ein Risiko“, sagt Naske. Wenn Abläufe zu vorhersehbar sind, wenn Mitarbeitende nur noch standardisierte Inhalte auswendig lernen, dann sinkt die Aufmerksamkeit für das wirklich Relevante: das Ungewöhnliche, das Auffällige, das Bedrohliche.
Gerade in Zeiten zunehmender Bedrohungslagen – etwa durch Cyber-Angriffe – sei es entscheidend, dass Unternehmen Handlungsspielräume behalten. „Viele sind bemüht, sinnvolle eigene Maßnahmen umzusetzen – aber ihre Kapazitäten sind durch Bürokratie bereits ausgelastet“, erklärt Naske.
Der Ruf nach Befreiung
Die Kernbotschaft dieses Gesprächs ist unmissverständlich: Deutschland braucht einen neuen Umgang mit Regulierung in der Luftsicherheit. Mehr Vertrauen in Unternehmen, mehr Freiraum für Ausbilder, mehr Kommunikation auf Augenhöhe.
„Weniger ist mehr“, fasst Naske zusammen. „Die Ziele der Luftsicherheit lassen sich auch mit weniger Bürokratie erreichen – vielleicht sogar besser.“
Annette Wiedemann lädt zum Dialog ein: Bei den diesjährigen AWiAS Aviation Days wird Nina Naske als Referentin vor Ort sein. Dort treffen sich Fachleute aus der Luftsicherheit, um genau diese Themen weiterzudenken – gemeinsam, konstruktiv, praxisnah.
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